Max Beckmann
Zwei Selbstbildnisse
Zwei Museumserwerbungen
– I –
Gute Nachrichten aus der Museumswelt kann es allein angesichts der verordneten Schließungen im Zuge der Pandemie-Bekämpfung zur Zeit kaum geben. Von laufenden Ausstellungen und ihren Besuchszahlen, die normalerweise die mediale Berichterstattung bestimmen, gibt es nichts zu vermelden. Umso erfreulicher, dass im Abstand von nur wenigen Wochen das Städel Museum in Frankfurt und die Hamburger Kunsthalle jeweils einen bedeutenden Zuwachs für ihre Sammlungen verkündet haben.
Erfreulich schon deshalb, weil so deutlich wird, dass hinter den Kulissen in den Museen nicht weniger los ist als zu Öffnungszeiten und weil der Fokus auf die Museumssammlungen selbst, auf die zentralen musealen Aufgaben des Sammelns, Bewahrens und Erforschens der Kunstwerke gelegt wird – ohne die wiederum keine vernünftige Ausstellung zu denken ist.
Bemerkenswert an den aktuellen Meldungen sind die Gemeinsamkeiten und die Beziehungen zwischen den Werken und den Umständen, unter denen diese nun endgültig in die öffentlichen Museen aufgenommen werden konnten.
Beide Gemälde sind von Max Beckmann. Der 1884 in Leipzig geborene und 1950 im Alter von 66 in New York gestorbene Maler, Zeichner und Grafiker gehört zu den großen singulären Gestalten der Kunst des 20. Jahrhunderts. Die meisten seiner wichtigen Werke haben Eingang in die großen Museen Europas und der USA gefunden. Nicht viele davon sind noch in Privatbesitz.
Bei den Erwerbungen beider Museen handelt es sich um Selbstbildnisse des Künstlers. In der Reihenfolge der Neuerwerbungen: Das Selbstbildnis mit Sektglas von 1919 für das Städel in Frankfurt und das Selbstbildnis Florenz von 1907 für die Hamburger Kunsthalle.
Beckmann gehört zu den Künstlerinnen und Künstlern, für die die Selbstbefragung im Medium der eigenen Malerei herausragende Bedeutung hat. Entsprechend wichtig und begehrt sind seine Selbstbildnisse. Entsprechend teuer sind sie am Kunstmarkt. (Zwei prominente Beispiele sind: Selbstbildnis mit Glaskugel von 1936, im Jahr 2005 für € 13 Mio. € ($ 16.8 Mio.) und Selbstbildnis mit Horn von 1938, im Jahr 2014 für € 25,3 Mio. ($ 22,6 Mio.) versteigert, jeweils bei Sotheby’s).
Entsprechend schwer ist es, eines für ein öffentliches Museum zu gewinnen. Wie schwer, das zeigen weitere Gemeinsamkeiten der Umstände, die diese Erwerbungen erst möglich gemacht haben:
Beide Museen verfügen über einen bedeutenden Bestand an Werken von Max Beckmann, in den sich diese Gemälde inhaltlich bestens einfügen. Beiden Häusern waren die Selbstbildnisse schon seit vielen Jahren als Dauerleihgaben zur Verfügung gestellt und so auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden – im Städel seit 2011, in der Hamburger Kunsthalle sogar seit 1991.
Dieser Umstand und die daraus erwachsene Verbindung sowohl der Werke als auch ihrer Eigentümer*innen zum jeweiligen Museum und seinen Verantwortlichen war eine der wesentlichen Voraussetzungen für den Erwerb. Denn die Museen verfügen nicht über die finanziellen Mittel, Werke dieser Art am Kunstmarkt zu erwerben.
Das wurde auch eigens thematisiert: Beide Häuser haben in Ihren Verlautbarungen betont, dass die Eigentümer*innen ihnen beim Verkaufspreis außerordentlich entgegengekommen sind. Am freien Markt würde der Preis für die Werke im zweistelligen Millionenbereich liegen. Im Städel, das sich nicht zum Ankaufspreis äußerte, hieß es nur, er liege „deutlich unter“ dem zu erwartenden Marktpreis, in Hamburg wurden € 4 Mio. als Ankaufspreis genannt.
Trotz des Entgegenkommens waren beide Museen darauf angewiesen, für den Ankauf von verschiedenen Seiten Förderung zu erhalten. Zum Frankfurter Ankauf trugen bei: die Bundesregierung, die Ernst von Siemens Kunststiftung, der Städelsche Museums-Verein e.V., die aufgrund ihrer Beteiligung am Ankauf zu Miteigentümern wurden, sowie die Kulturstiftung der Länder und fünf private Spender.
In Hamburg beteiligten sich die Stiftung Hamburger Kunstsammlungen und ebenfalls die Ernst von Siemens Kunststiftung am Erwerb, sind hier ebenfalls Miteigentümer. Unterstützt wurden sie von der Campe’schen Historischen Kunststiftung, der Kulturstiftung der Länder und der Hermann Reemtsma Stiftung.
Schließlich ist dieser Ankauf für beide Museen die jeweils teuerste Erwerbung, die sie überhaupt gemacht haben. Was noch einmal die bescheidenen Möglichkeiten der öffentlichen Museen in Deutschland verdeutlicht. Trotz ihres für deutsche Verhältnisse enormen Preises sind die Werke von Max Beckmann im internationalen Vergleich und im Verhältnis zu seiner kunsthistorischen Bedeutung geradezu günstig (man schaue sich zum Vergleich eines der aktuellen Rankings der teuersten Werke der Welt an).
Die Parallelität der Umstände, Ereignisse und Wege zum Erwerb dieser beiden Kunstwerke für öffentliche Museen steht also ebenso exemplarisch für deren finanzielle Situation und ihre völlig unzureichenden Ankaufsetats wie für die daraus erwachsene Förderkultur, in der die verschiedenen politischen Ebenen (Bund und Länder, Kommunen, öffentliche Körperschaften) mit öffentlichen und privaten Stiftungen (die sich entweder allgemein die Kulturförderung zur Aufgabe gesetzt haben oder sogar spezifisch die Förderung bestimmter Museen), mit den Fördervereinen der einzelnen Museen, und schließlich engagierten Privatpersonen zusammenfinden, um es überhaupt möglich zu machen, wertvolle Kulturgüter für die Öffentlichkeit zu erhalten oder zu gewinnen.
Dass es häufig so gut funktioniert wie hier, ist wichtig und von großer Bedeutung für die Museen und für die gesamte Gesellschaft. Allerdings birgt gerade der Erfolg die Gefahr, dass an der strukturell ungenügende Situation der öffentlichen Kulturinstitutionen in Deutschland nichts geändert wird.
Beide Museen würdigen nun das Werk von Max Beckmann und diese Neuerwerbungen in gewichtigen Ausstellungen. Das Städel Museum zeigt mit Städels Beckmann – Beckmanns Städel. Die Frankfurter Jahre die enge Verbindung zwischen Beckmann und Frankfurt auf, wo er lange Jahre lebte, lehrte und bedeutende Werke wie das Selbstbildnis mit Sektglas schuf. (Bis 6. Juni 2021 – verlängert!)
Die Hamburger Kunsthalle widmet ihre Ausstellung Max Beckmann. weiblich – männlich den Vorstellungen von Weiblichkeit und Männlichkeit, die in seinem Bildkosmos zum Ausdruck kommen. Es handelt sich in der Tat um ein zentrales Thema in seinem Gesamtwerk. (Bis 14. März 2021)