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Buchvorstellung Kunstgeschichte

In Kunst und Leben vereint

Hans Purrmann und Mathilde Vollmoeller-Purrmann auf Korsika 1912
Foto: Pressemitteilung, Hans Purrmann Archiv München

Künstlerpaare der Moderne

Aus Anlass des 30-jährigen Jubiläums des Museums Purrmann-Haus Speyer fand am 6. und 7. Juli 2021 ein kunstwissenschaftliches Symposium statt zum Thema Künstlerpaare der Moderne. Hans Purrmann und Mathilde Vollmoeller-Purrmann im Diskurs. Die Tagung war eigentlich für den Herbst des letzten Jahres vorgesehen, musste aber wegen der Pandemie verschoben werden und konnte auch jetzt nur online realisiert werden.

Der schöpferische Prozess, aus dem das entsteht, was wir gemeinhin Kunst nennen, wird im Allgemeinen als höchst individuelle Angelegenheit verstanden – als ein Prozess der Auseinandersetzung des künstlerischen Subjekts mit sich und der Welt. Wie es aus diesem Ringen seinen eigenen künstlerischen Kosmos entwickelt, entwirft und als Kunst verwirklicht, gehörte seit jeher zu den Phänomenen, die auf andere Menschen sowohl zu Lebzeiten als auch im historischen Rückblick eine schwer greifbare Faszination ausüben.

Da selbst das einsamste Subjekt und selbst einzigartigste Werke niemals allein aus sich heraus existieren und nur in der Beziehung zur Welt, zu den Menschen und zur Kunst, die sie umgeben, spielt dieses Beziehungsgeflecht für diese Faszination eine fundamentale Rolle.

Das ist einer der Gründe, warum die Aufmerksamkeit dafür noch größer ist, wenn in menschlichen Beziehungen zudem schöpferische Bestrebungen bei allen Beteiligten eine herausragende Rolle spielen – in künstlerischen Gemeinschaften zum Beispiel, wie sie sich insbesondere seit dem 19. Jahrhundert ausgebildet haben, etwa der Gruppierungen seit dem Impressionismus, der Brücke oder dem Blauen Reiter.

Eine sehr besondere Konstellation in der Verquickung menschlicher und künstlerischer Beziehungen bildet das Künstlerpaar und die damit einhergehende Verbindung von Lebensgemeinschaft und künstlerischer Arbeit.

Weil Hans Purrmann zusammen mit seiner Frau Mathilde Vollmoeller-Purrmann eines der bedeutenden Malerpaare der Klassischen Moderne bildete, hat sich nun das Purrmann-Haus Speyer zu seinem Jubiläum diesem Thema gewidmet.

Der Briefwechsel zwischen beiden ist zuletzt in zwei Bänden (Informationen siehe unten) von Felix Billeter (Hans Purrmann Archiv München) und Maria Leitmeyer (Purrmann-Haus Speyer) herausgegeben worden. Damit kann nun ein umfassender Einblick in die Eigenarten ihrer menschlichen und künstlerischen Beziehungen gewonnen werden.

Das Symposium stellte ihr Verhältnis in den Kontext anderer Paarbeziehungen zwischen Künstlerinnen und Künstlern ihrer Zeit. Es ging darum das „breite Spektrum vielfältiger Lebensbilder“ aufzuzeigen und die „Rollenverteilung in Partnerschaft und Familie sowie die Ausbildung, der Alltag der künstlerischen Arbeit oder Stellung und Rang im Ausstellungswesen“ zu thematisieren.

„Warum bist Du nicht mein Geliebter – dann wäre ich jetzt eine große glückliche Künstlerin, so bin ich bekanntlich eine tugendsame Frau und Hausfrau.“

Sabine Lepsius an Reinhold Lepsius, Brief vom 29.10.1902. In: Künstlerpaare der Moderne, S. ##

Unter dem Titel »Es ist recht leer ohne Dich«. Künstlerpaare der Moderne leiteten Felix Billeter, Leiter des Hans Purrmann Archivs in München und Maria Leitmeyer, Kustodin des Museums Purrmann-Haus Speyer, in das Thema der Tagung ein.

Ihnen folgte Peter Kropmanns, freier Kunsthistoriker in Paris, der in seinem Vortrag Vom Schatzfund zur Brücke. Der Briefwechsel von Hans Purrmann und Mathilde Vollmoeller-Purrmann und der Diskurs mit anderen Künstlerpaaren ausführlich auf dieses Künstlerpaar einging sowie die Publikation ihres Briefwechsels besprach und würdigte.

Danach folgten die exemplarischen Vorträge zu einzelnen Künstlerpaaren, hier vollständig im Überblick:

Oskar und Marg Moll. Ein großbürgerliches Künstlerpaar zwischen wilhelminischer Ära und nationalsozialistischer Diktatur von Gerhard Leistner, ehemals Kunstforum Ostdeutsche Galerie Regensburg

Leo von König und Mathilde Tardif. Panoptikum der Gesellschaft um 1900 von Ingrid von der Dollen, freie Kunsthistorikerin

»Nicht zum Paradiesvogel bestimmt«. Das Künstlerpaar Reinhold und Sabine Lepsius von Annette Dorgerloh, Humboldt-Universität zu Berlin, Institut für Kunst- und Bildgeschichte

Gabriele Münter und Wassily Kandinsky. Geschichte und Rezeption eines Künstlerpaares der Moderne von Isabelle Jansen, Gabriele Münter und Johannes Eichner-Stiftung, München

Beziehung als Kunststoff. Das Künstlerpaar Alexej von Jawlensky und Marianne von Werefkin von Roman Zieglgänsberger, Museum Wiesbaden

Max Beckmann und Minna Tube. Märchenprinzessin und Seelenverwandte von Christiane Zeiller, Max Beckmann Archiv der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen München

Jury der Münchener Neuen Secession 1919; Maria Caspar Filser sitzend 1 v. l.,
Karl Caspar sitzend 4. v. l.
Foto: Aus dem besprochenen Band; Archiv Haus Caspar-Filser Brannenburg, Felicitas Köster und Felix Zender

Mein Beitrag mit dem Titel Eigenart und Einklang. Die Kunst- und Lebensgemeinschaft von Maria Caspar-Filser und Karl Caspar stellte dar, wie aus einer Kindheitsfreundschaft eine beständige und befruchtende Lebens- und Kunstgemeinschaft erwuchs:

Maria Filser und Karl Caspar, die 1907 heirateten, lebten und arbeiteten in engster Verbundenheit und zugleich in völliger künstlerische Eigenständigkeit. Dieses Wechselspiel zwischen der künstlerischen Eigenart der beiden und ihrem Leben und Wirken im Einklang macht sie zu einem der bemerkenswertesten Paare in der Geschichte der Bildenden Kunst.

„Für uns marschieren an der Spitze der eindrucksfähigsten Bilder wiederum jene des Ehepaares Caspar.“

Besprechung der 9. Ausstellung der Münchener Neuen Secession, Bayerische Sonntagszeitung, 23.07.1923

Sämtliche Vorträge dieses Symposiums sind im dazu erschienenen Tagungsband enthalten:

Künstlerpaare der Moderne

Künstlerpaare der Moderne. Hans Purrmann und Mathilde Vollmoeller-Purrmann im Diskurs, Hrsg. v. Felix Billeter und Maria Leitmeyer, 176 Seiten, 60 Abb., ISBN: 978-3-422-98650-3, Preis 18,- €,

Die Publikation wurde gefördert von der Rudolf-August Oetker-Stiftung, der Hans Purrmann Stiftung und der Kulturstiftung Speyer (aus Mitteln der Dr. Heinz Danner-Stiftung). Die Publikation kann im Purrmann-Haus Speyer (Vorbestellung auch gerne per Telefon 06232/142020 oder per E-Mail an: purrmann-haus-speyer(at)gmx.net) sowie im Buchhandel erworben werden.

Dasselbe gilt für den in zwei Bänden herausgegebenen Briefwechsel:

Sehnsucht nach dem Anderen - Eine Künstlerehe in Briefen 1909-1914

Sehnsucht nach dem Anderen. Eine Künstlerehe in Briefen 1909–1914. Hans Purrmann und Mathilde Vollmoeller-Purrmann, Hrsg. v. Felix Billeter und Maria Leitmeyer, 184 Seiten mit 50 farbigen Abbildungen, ISBN: 978-3-422-89286-6, Preis: 14,90 €

Stürmische Zeiten ‒ Eine Künstlerehe in Briefen

Stürmische Zeiten ‒ Eine Künstlerehe in Briefen 1915–1943. Hans Purrmann und Mathilde Vollmoeller-Purrmann, Hrsg. v. Felix Billeter und Maria Leitmeyer, 256 Seiten mit 50 farbigen Abbildungen, ISBN: 978-3-422-98242-0, Preis: 18 €