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Jahrestag Kunstgeschichte

Maria Caspar-Filser – Malerin

Sestri Levante, 1924, Städtische Galerie Fähre Privatbesitz Bad Saulgau, Leihgabe aus Privatbesitz, © Köster/VG Bild-Kunst

Aus Anlass des Weltfrauentages

Zu Lebzeiten war Maria Caspar-Filser (1878–1968) eine der angesehensten deutschen Künstlerinnen überhaupt. Ihre herausragende Stellung in der Kunstwelt belegen sowohl ihre Ausstellungsteilnahmen wie die Würdigungen, die sie für ihr Werk erhalten hat.

Sie wurde als Maria Filser am 7. August 1878 in Riedlingen an der Donau geboren. Schon früh widmete sie sich ernsthaft der Malerei. Zwischen 1896 und 1903 studierte sie an der Akademie Stuttgart bei Friedrich von Keller und Gustav Igler. Zwischenzeitlich besuchte sie die Klasse von Ludwig von Herterich an der Akademie in München, wo sie sich mit Karl Caspar, den sie 1907 geheiratet hatte, im Jahr 1909 niederließ.

Sie machte sich nach ihrem Studium einen Namen als Landschafts- und Stilllebenmalerin. In der Auseinandersetzung mit der Freilichtmalerei, mit Paul Cézanne und Vincent van Gogh entwickelte sie eine eigene Bildsprache, geprägt von reicher Farbkultur und malerischer Unmittelbarkeit. Ihre – wie Wilhelm Hausenstein sagt – „strömende Freiheit des Malerischen“ macht das sinnliche Erleben der sichtbaren Welt unvermittelt im Bild anschaulich.

Mit ihrer Malerei gewann sie höchste Anerkennung. Exemplarisch ist die Würdigung Caspar-Filsers zur Jahresausstellung 1909 im Württembergischen Kunstverein in Stuttgart:

„Das Beste, was die diesmalige Ausstellung des Kunstvereins enthält, stammt von Damenhand. Alles das, was Frau Maria Caspar-Filser, Balingen, in ihrem kleinen Sonderkabinett zeigt, sind Arbeiten, in denen sich ein eminenter Fleiß mit wirklich bedeutendem Können deckt. Sichtbar auf ernstem, intensiven Studium ruhend, hat sich das Talent dieser Künstlerin zu einer beachtenswerten Höhe entwickelt. Kein Mensch, der unbefangen diesen Arbeiten entgegentritt, wird als Autor eine Dame vermuten. Ein halbes hundert solcher Künstlerinnen im deutschen Malerland, und alle Vorurteile gegen die malende Frau sind zuschanden gemacht.“ (A. Dobsky, Schwäbische Tagwacht, 1909)

1912 war sie als eine von nur vier Frauen auf der berühmten Sonderbund-Ausstellung in Köln vertreten, die heute als ein Meilenstein in der Geschichte der Avantgarde-Kunst gilt. Sie gehörte, jeweils als einzige Frau, zu den Gründungsmitgliedern der SEMA im Jahr 1911 und der Münchener Neuen Secession 1913.

„Wenden wir uns nun der Kerntruppe der Neuen Secession zu, so ist zu allererst der starke Fortschritt zu rühmen, den man in den Werken der Frau Caspar-Filser beobachtet. Das ist eine frische Art von Malerei, ein Strahlen und Blühen der Farbe, eine Schlichtheit der Diktion, eine natürliche Vereinfachung aller Formen, die absolut zwingend wirkt.“

August L. Mayer: „Sommer-Ausstellung der Münchener Neuen Secession“ in:
Deutsche Kunst und Dekoration, 42, Nr. 21, 1918, S. 295.

Ab 1925 lehrte sie an der Akademie in München und erhielt als erste deutsche Malerin den Professorentitel. Sie war insgesamt vier Mal auf der Biennale in Venedig vertreten, 1924, 1926 und 1928 sowie 1948. Caspar-Filser war einhellig anerkannt als eine der wichtigsten Künstlerpersönlichkeiten der Zeit. Sie pflegte mit ihrem Mann einen großen künstlerischen und intellektuellen Freundeskreis, zu dem u.a. Paul Klee, Alfred Kubin, Alexej Jawlensky, Marianne von Werefkin, Hans Purrmann, Karl Schmidt-Rottluff oder Karl Hofer gehörten.

Doch Caspar-Filser und ihr Mann Karl Caspar wurden Opfer des vernichtenden Wirkens der nationalsozialistischen Diktatur, während der beide als „entartet“ geächtet und verfolgt wurden. Schon Ende der 1920er-Jahre hatten die Anfeindungen gegenüber der Malerei Caspar-Filsers in national und völkisch orientierten Medien begonnen.

Von Anfang an richteten sich die Angriffe der nationalsozialistischen Journalisten und Funktionäre sowohl gegen die künstlerische Formensprache als auch gegen die Unabhängigkeit und individuelle Freiheit der Malerin und ihres Mannes, die im Werk wie im persönlichen Auftreten ihren Ausdruck fand.

Beide wurden als einzige in München lebende Künstlerpersönlichkeiten in der Femeschau „Entartete Kunst“ diffamiert. Caspar-Filser war eine von nur vier weiblichen Künstlern in der Ausstellung. Die anderen waren Jacoba van Heemskerck, Margarete Moll und Emy Röder.

Das Paar zog sich in der Folge in die innere Emigration nach Brannenburg am Inn zurück (wo Maria Caspar-Filser bis zu ihrem Tod am 12. Februar 1968 lebte). Ihre Werke wurden aus sämtlichen Museen entfernt und teilweise zerstört. Als entartete Künstler sind sie auf die Versorgung mit künstlerischen Materialien durch Schüler von Karl Caspar und Freunde angewiesen. Menschlich berührend ist der freiwillige Verzicht von Karl Caspar auf die Malerei in Zeiten materieller Engpässe. Er überlässt seiner Frau die Ölfarben, „weil sie ohne Pinsel und Farben todunglücklich ist“.

Maria Caspar-Filser: Septembermond im Inntal, 1935, Privatbesitz
© Köster/VG Bild-Kunst

Nach dem Krieg setzte sie ihr künstlerisches Wirken fort und sie wird zu zahlreichen Ausstellungen eingeladen. Beispielsweise zeigt 1951 die Staatsgalerie Stuttgart Maria Caspar-Filser und Karl Caspar und 1958 ist sie auf den beiden wichtigen Überblickschauen Deutsche Kunst von 1905 bis heute in Mailand und Aufbruch zur modernen Kunst in München vertreten. Außerdem erfuhr sie wieder höchste Ehrungen. 1947 wird sie mit dem Förderpreis für Bildende Kunst der Landeshauptstadt München geehrt und 1950 Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste.

Im Jahr 1952 erhält sie mit Karl Caspar gemeinsam als erste den neu geschaffenen Oberschwäbischen Kunstpreis. 1959 wird sie als erste Malerin mit dem Großen Bundesverdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. Desweiteren wird ihr 1961 während einer Ausstellung im Musée National d’Art Moderne die Medaille der Stadt Paris verliehen.

Dennoch ist ihrem herausragenden Werk bis heute jene – zuvor erworbene und eigentlich zustehende – überregionale Wirkung versagt geblieben, wie sie anderen verfemten Künstlern, aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu bekannten Avantgarde-Gruppen des 20. Jahrhunderts und deren umfassender kunsthistorischer Würdigung nach dem Zweiten Weltkrieg wieder zuteil wurde.

So bedeutet die Ächtung im Nationalsozialismus für sie (neben persönlichem Leid) einen bis heute wirksamen Einschnitt der kunsthistorischen Wertschätzung, die seitdem in keinem Verhältnis zu ihrem künstlerischen Rang steht.

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Jahrestag Kunstgeschichte

Logenplatz Weltuntergang

Max Beckmann: Die Loge, 1928, Öl auf Leinwand, 121,2 x 84,8 cm, Staatsgalerie Stuttgart.
© CC BY-SA 4.0

Zum Geburtstag von
Max Beckmann
(12. Februar 1884)

Das Datum des heutigen Tages, 12.02.2021, weist eine Eigentümlichkeit auf, die besonders geeignet ist, sich dem Werk von Max Beckmann zuzuwenden, der an diesem Tag vor 137 Jahren in Leipzig geboren wurde: Von vorne wie von hinten gelesen ergeben die Ziffern dieselbe Folge und mithin dasselbe Datum. Es ist – bildlich gesprochen – ein Spiegeldatum (in Bezug auf die schriftliche Zahlenfolge bezogen wird dies als Palindrom bezeichnet).

Max Beckmann hat sich in seinem Werk einen eigenen Kosmos aus Mythologie und Geschichtserfahrung geschaffen, in dem Spiegelungen jeglicher Art, als Vorstellung oder Idee, als Thema und Motiv, eine herausragende Rolle spielen, wie jetzt leicht im Werkverzeichnis zu sehen ist. Wie wohl kein anderer und keine andere unter den großen künstlerischen Individuen des 20. Jahrhunderts versteht er das gemalte Bild als eine Bühne, als ein imaginiertes Theater, auf dem von den großen Gefühlen und Dramen des Menschen, seinen Leidenschaften und Katastrophen erzählt wird.

Die Abstraktion im Sinne ungegenständlicher Kunst blieb ihm fremd, da für ihn der Mensch und sein Schicksal im Zentrum alles Strebens und Wirkens stand – dazu gehörte für ihn unverzichtbar auch der Raum, in der sich alles Menschliche ereignet – und der für ihn ein großes Mysterium darstellte. Diesen Raum im Medium der Malerei erst zu schaffen, ihn als Lebenswelt im Bild zur Wirkung zu bringen, darin sah Beckmann die eigentliche Aufgabe und Fähigkeit künstlerischen Abstraktionsvermögens.

„Es handelt sich immer wieder darum, die Magie der Realität zu erfassen, und diese Realität in Malerei zu übersetzen. – Das Unsichtbare sichtbar machen durch die Realität. – Das mag vielleicht paradox klingen, – es ist aber wirklich die Realität – die das eigentliche Mysterium des Daseins bildet!“

Max Beckmann: „Über meine Malerei“, Rede gehalten in der Ausstellung Twentieth Century German Art in den New Burlington Galleries, London, 21.07.1938

Seine Karriere begann Beckmann im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts in Berlin, wo er kraftstrotzend und voller Selbstbewusstsein als junger Maler mit höchsten Ambitionen die Bühne der Öffentlichkeit betrat. Die schnell wachsende Anerkennung bestärkte ihn zusätzlich. Das Selbstbildnis mit Zigarette, das er 1907 als Stipendiat der Villa Romana in Florenz gemalt hat, zeugt ebenso davon wie die Themen und Dimensionen seiner Werke.

Figurenreiche Großformate, die sich ebenso klassischen Geschichten der Historienmalerei widmen – etwa Sintflut, 1908, oder Amazonenschlacht, 1911 – wie aktuellen Ereignissen – so Szene aus dem Untergang von Messina, 1909 (durch ein Erdbeben – siehe dazu: Drama am Ätna), oder Untergang der Titanic, 1912.

Anlass von großen Dramen und Katastrophen zu erzählen, sollte er zeitlebens genug finden – und wie ungeheuerlich manche sein würden, davon hatte der kühne Kunstjüngling genauso wenig eine Vorstellung wie alle anderen. Noch ahnte er nicht, dass er zu jener Generation in Deutschland gehören wird, in deren Lebenszeit die drei größten Katastrophen des Jahrhunderts sich ereigneten – die beiden Weltkriege und die Nazi-Diktatur,  die ihn wie so viele andere Menschen zwang, das Land zu verlassen, weil sie aufgrund ihrer Herkunft, ihres jüdischen Glaubens, ihrer politischen Haltung oder ihres Wirkens bedroht oder verfolgt wurden.

„Das Leben ist immerhin schwierig, ich glaube diese Neuigkeit dürfte nun doch schon allgemein bekannt sein.“

Max Beckmann: „Über meine Malerei“

Als er dies im Jahr 1938 sagte, stand das Schlimmste für ihn und die meisten anderen noch bevor. Genau ein Jahr zuvor war er mit seiner Frau Mathilde, genannt „Quappi“, gleich nachdem sie Adolf Hitlers Rede zur Eröffnung der Femeschau „Entartete Kunst“ gehört hatten, aus Berlin nach Amsterdam geflohen, wo sie beide bis Kriegsende im Exil leben sollten.

Max und Quappi Beckmann überlebten Exil und Krieg, hatten stets Freunde und Unterstützer, die ihnen in kritischen Situationen während dieser Zeit halfen und auch in der Zeit danach, als es galt, noch einmal neu anzufangen. Sie unternahmen diesen Neuanfang in den Vereinigten Staaten. Dort organisierten Freunde Ausstellungen mit seinen Werken und sie verhalfen ihm zu Lehraufträgen an amerikanischen Kunsthochschulen.

In kaum mehr als zwei Jahren lehrte er – einmal quer durch die USA – an der Washington University Art School in St. Louis, der Kunstschule der Universität in Boulder, Colorado, dem Mills College in Oakland, California, sowie der American Art School und Brooklyn Museum Art School in New York.

Der kunsthistorische Rang seiner Malerei war inzwischen international unbestritten. Seine wichtigsten Werke haben bald den Weg in die großen Museen Europas und der USA gefunden.

Beckmann hatte seit Kriegsende mehrere Berufungen von deutschen Kunsthochschulen erhalten, die er sämtlich ablehnte. Er lebte zuletzt in New York und sollte Deutschland bis zu seinem Tod am 27. Dezember 1950, im Alter von 66 Jahren, nicht mehr betreten.

„Die neue Idee, die der Künstler und mit ihm zu gleicher Zeit die Menschheit zu formen hat, ist Selbstverantwortung.“

Max Beckmann: „Der Künstler im Staat“, in: Europäische Revue, Nr. 3, 1927, S. 288
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Kunstgeschichte

Zwischen Triumph und Desaster

Max Beckmann: Selbstbildnis mit Sektglas, 1919, Öl auf Leinwand, 1919, 65,2 x 55,2 cm, Städel Museum Frankfurt a.M.
© CC BY-SA 4.0

Max Beckmann
Zwei Selbstbildnisse
Zwei Museumserwerbungen
– II –

Zwei bedeutende Selbstbildnisse von Max Beckmann haben vor Wochen ihre endgültige Bleibe in zwei öffentlichen Museen gefunden. Darüber ist ausgiebig berichtet worden. In diesem Blog ist dazu auch schon ein Beitrag mit Überlegungen zu den musealen Rahmenbedingungen der beiden Erwerbungen erschienen. Er findet sich hier.

Bemerkenswerte Zusammenhänge finden sich allerdings nicht nur im Hinblick auf den musealen Aspekt der Erwerbungen. Sie sind auch thematisch aufs Engste verbunden. Es handelt sich bei diesen beiden Gemälden von Max Beckmann um zwei herausragende Selbstbildnisse. Herausragend sind sie – neben ihrer künstlerischen Qualität allein schon deshalb, weil Beckmann seiner jeweiligen Lebenssituation in ihnen exemplarisch bildlichen Ausdruck gegeben hat.

Diese könnten kaum gegensätzlicher sein. Gleitet in der vergleichenden Betrachtung der beiden Selbstbilder der Blick vom Selbstbildnis Florenz aus dem Jahr 1907 zum Selbstbildnis mit Sektglas von 1919, dann offenbart sich darin drastisch Beckmanns abrupter Wandel seiner Lebenswirklichkeit vom Triumph zum Desaster.

Das erste Selbstbildnis malte Max Beckmann während seines halbjährigen Aufenthaltes als Stipendiat in der Villa Romana in Florenz. Frontal ausgerichtet, den betrachtenden Blick mit dem eigenen – leicht herablassend – direkt erwidernd, im schwarzen Anzug ein Mann von Welt, selbstgewiss und lässig mit der Zigarette in der Hand.

Max Beckmann: Selbstbildnis Florenz, 1907, Öl auf Leinwand, 98 x 90 cm, Hamburger Kunsthalle
Foto: Hamburger Kunsthalle, Elke Walford

Wie in diesem Selbstbildnis spricht sich in seiner Malerei und seinen überlieferten Äußerungen der Jahre vor dem Ersten Weltkrieg das unerschütterliche Selbstbewusstseins einer Künstlerpersönlichkeit aus, die von sich selbst überzeugt ist und die angemessene Anerkennung gefunden hat. Dieser Beckmann begibt sich im Herbst 1914 als freiwilliger Sanitätssoldat in den Krieg.

„Ich hoffe noch viel zu erleben und bin froh.“

Max Beckmann in einem Brief aus dem Feld an seine Frau Minna Tube, 14.09.1914

In seinen ersten Wochen erlebt er diesen Krieg noch in einem pathetischen Überschwang, der ihn in Briefen schreiben lässt von „verzauberten und glühenden Dingen“, vom „wunderbar großartigen Geräusch der Schlacht“. An dieser selbst nahm er aber nicht teil, er war als Sanitärsoldat hinter der Front stationiert. Er hofft auf reiche künstlerische Beute, gleichwohl spürt er die Ambivalenz dieser gesteigerten Erregung: „Für mich ist der Krieg ein Wunder, wenn auch ein ziemlich unbequemes. Hier kriegt meine Kunst zu fressen.“ (Brief an Minna Tube, 18.05.1915)

Doch schon bald hatte der Krieg ihm derart viel zu Fressen gegeben, dass sein Maul gestopft war und er den Fraß nicht mehr verdauen konnte. Im Juli 1915 folgte der Nervenzusammenbruch. Erschüttert und gebrochen beginnt der Kriegsversehrte als Maler noch einmal ganz von vorne. Zuerst versucht er, sich das Grauen der Kriegshölle von Leib und Seele zu malen.

Was diese aus ihm gemacht hat, offenbart ein Blick auf sein Selbstbildnis mit rotem Schal von 1917 und der Vergleich seiner Auferstehungsbilder. Die erste Auferstehung entstand davor, 1908–1909. Mit der zweiten Auferstehung, die er 1916 begonnen hat, ist er nie fertig geworden. (Alle drei Gemälde befinden sich heute in der Staatsgalerie Stuttgart.)

Von dieser Katastrophe ist das Selbstbildnis mit Sektglas ebenfalls noch vollständig durchdrungen. Wieder der Mann von Welt, im Anzug und mit Zigarre. Doch jetzt klemmt – offensichtlich um Jahre gealtert – der Herr im Anzug sitzend zwischen Stuhl und Tisch, eingezwängt und zusammengefaltet, verspannt, verkrampft, die Gesichtszüge entgleist – und noch konterkariert vom Durchblick auf eine hämische Fratze dahinter.

„In a while will the smile on my face turn to plaster, Stick around while the clown who is sick does the trick of disaster.”

Neil Young: Mister Soul, 1966

Champagnerflasche und das gefüllte überschäumende Glas scheinen von einem Anlass zum Feiern zu erzählen, doch welcher könnte das sein, angesichts der zynischen Verbitterung, die aus dem Bild spricht, außer jenem, schlicht überlebt zu haben.

Im Zuge der Regeneration gewinnt er wieder Kraft und Zutrauen, was wiederum schnell in künstlerischen Ambitionen und realisierten Werken zum Ausdruck kommt. Er entwickelt einen dynamisch vitalen Individualstil, in dem er bevorzugt komplexe erzählerische und symbolische Kompositionen gestaltet – so wie mit Vorliebe schon in seinem Frühwerk.

Ein Aspekt seines Werkes wird von nun an allerdings eine völlig andere Grundlage und Dringlichkeit haben: Der katastrophische Zug, der in den frühen Werken seinen thematischen Neigungen und Interessen entspricht ohne selbst in irgendeiner Weise davon betroffen zu sein, wird nun – und im Erleiden der späteren Grausamkeiten Nazi-Diktatur und Zweiter Weltkrieg – zum unmittelbaren Zeugnis der eigenen bedrohten Existenz. Sein individuelles Schicksal wird zum exemplarischen Ausdruck der Lebenswirklichkeit im katastrophischen 20. Jahrhundert.